In den vergangenen Jahren hat WordPress-Mitgründer Matt Mullenweg seinen Vortrag „State of the Word“ immer am Ende des Jahres auf dem WordCamp US gehalten. Nachdem das in diesem Jahr abgesagt wurde, fand die Keynote zum ersten Mal als vorab aufgezeichnete Online-Veranstaltung im Livestream statt.

Mir fehlen Zahlen der letzten Jahre, aber mit knapp unter 30 Minuten gehört dieser „State of the Word“-Vortrag sicherlich zu den kürzeren. Ausgeglichen wurde das durch einen Q&A-Teil, in dem vorab eingereichte Fragen aus der Community beantwortet wurden. Josepha Haden Chomphosy, Executive Director des WordPress-Projekts, erklärt dazu auf Twitter, im Vorfeld seien nicht ausschließlich die besten (oder gefälligsten) Fragen herausgepickt worden, alle eingesendeten Fragen seien beantwortet worden.

A year of firsts

Ein Jahr, in dem plötzlich die ganze Welt remote arbeitet, geht auch an einer verteilten Community nicht spurlos vorbei. Dennoch wurden die drei planmäßigen WordPress-Updates des Jahres veröffentlicht.

Stand heute verzeichnet WordPress einen Marktanteil von 39,3%. Der ungewöhnlich große Zuwachs um knapp 4 Prozentpunkte zum Vorjahr ist vermutlich zumindest in Teilen der Pandemie zuzuschreiben.

Gleichzeitig war WordPress 5.5 im Sommer das WordPress-Release mit den meisten Contributoren und WordPress 5.6 war die erste WordPress-Version (und das erste Release einer großen Open-Source-Software), das von einem rein weiblichen / nicht binären Team geleitet wurde. 🥳

Gutenberg

Wie in den letzten Jahren war der Gutenberg-Editor natürlich auch dieses Mal wieder zentraler Bestandteil des Programms. Der Block-Editor, der vor zwei Jahren in den WordPress-Core integriert wurde, hat seither knapp 50.000 Commits erfahren.

Mullenweg hat das 10-Jahres-Projekt Gutenberg schon vor einigen Jahren in vier Phasen eingeteilt und diese Einteilung auch gestern noch einmal wiederholt.

Phase 1: Einfacheres Bearbeiten

Die erste Phase wurde mehr oder weniger zu dem Zeitpunkt abgeschlossen, als Gutenberg in den WordPress-Core integriert wurde.

Phase 2: Anpassungen und Fullsite-Editing

Die aktuelle Phase der Entwicklung, die sich (zumindest in meiner Wahrnehmung) schon etwas länger hinzieht als das eigentlich geplant war. Immer wieder werden geplante Features auf spätere WordPress-Versionen verschoben und noch einmal überarbeitet. Am Ende dieser Phase soll Gutenberg mehr abdecken als nur die Inhaltserstellung.

Phase 3: Kollaboration

Die nächste Phase, sobald Fullsite-Editing einmal umgesetzt ist, widmet sich ganz der Kollaboration. Auf WebRTC basierend dürfen wir uns dann wohl auf einen Editor freuen, in dem zeitgleich mehrere Benutzer schreiben und mit redaktionellen Kommentaren arbeiten können.

Phase 4: Mehrsprachigkeit

Als letzte der vier Phasen kommt dann (nach Matts Prognose im Jahr 2022) die Mehrsprachigkeit in den Fokus der Entwicklung. Da aktuell rund 55% der WordPress-Installationen nicht englisch sind, sind Fragen zu dieser Phase auch dieses Mal vorprogrammiert gewesen.

Mit exakten Vorhersagen hält Mullenweg sich zurück, hofft aber auf die tatkräftige Unterstützung derjenigen, die schon in der Vergangenheit Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit gesammelt haben. Ob die finale Lösung sich dann als Teil des WordPress-Core oder als offizielles Plugins präsentiert, sei aktuell noch komplett offen.

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Eine wichtige Einordnung macht Matt im Laufe der Q&A-Teils dann noch, als er erklärt, er sei der festen Überzeugung, dass die Phasen 1 und 2 mit dem Ergebnis abgeschlossen werden müssen, dass der Gutenberg-Editor eine unübertroffene Nutzerfahrung bietet. Wenn dem nicht so ist, hätte WordPress in zehn Jahren keine Relevanz mehr für Anwenderinnen und Anwender.

Das ordnet für mich den Grund für die eben bereits beschriebenen Verzögerungen von Fullsite-Editing-Funktionen sehr gut ein.

Die grobe Roadmap des WordPress-Projekts findet sich auf WordPress.org.

Site-Editor-Beta

Die einzige Live-Demo des Abends war dann auch das Site-Editor-Feature, das aktuell im Rahmen des experimentellen Gutenberg-Plugins getestet werden kann.

Der Editor speichert Änderungen an Templates, Seiten und Bereichen wie Header und Footer einer Website und dürfte endgültig die Zukunft von Themes einleiten.

Bisher (nach meinem Wissen) nicht explizit erwähnt, bedeutet der neue Bearbeitungsmodus aber vermutlich auch ein Ende für den Customizer.

Community

Events

Mit dem Wandel hin zu digitalen Events sind auch die Hürden zur Teilnahme im Vergleich zu Live-Events deutlich niedriger. Ohne Anreise, kostenintensive Übernachtung und Verpflegung sind digitale Events deutlich günstiger für Teilnehmende (und auch für die Organisierenden sowie die Organisation des Events insgesamt).

Auf die Frage, ob für die Zukunft (und vor allem eine Übergangsphase nach der Pandemie) Hybrid-Events denkbar sind, warf Andrea Middelton die erheblichen Kosten solcher hybriden Formate ein. Sie betont aber auch, dass es sehr wünschenswert wäre, Live-Konferenzen zukünftig um eine hybride Komponente zu erweitern und ruft die Community zum Sammeln von Ideen auf.

Mir persönlich fehlten an dieser Stelle ein paar Zahlen zur Entwicklung der digitalen Events in diesem Jahr. Wie viele Meetups haben weiter stattgefunden? Welche WordCamps haben mit erfolgreichen Konzepten im Digitalen geglänzt?

Learn

Die Plattform learn.WordPress.org ist diese Woche gestartet und soll zukünftig Tutorials, Workshops und Diskussionsgruppen rund um die Arbeit an und mit WordPress bereitstellen.

Meine persönliche Empfehlung hier wäre: How to use Trac von
Jonathan Desrosiers.

Anerkennung von Nicht-Code-Commits

Christina Workman kam mit einer Frage zu Matt, die mir aus einem der letzten Jahre bekannt vorkam. Sie stört sich nämlich daran, dass es nach wie vor einen deutlichen Unterschied in der Wertschätzung von Mitarbeit am Code und an WordPress-Releases selbst und anderer wertvoller Mitarbeit wie Übersetzungen, Dokumentation, Support oder Barrierefreiheit gibt (von Datenschutz ganz zu schweigen.).

Matts Antwort hier war in meinen Augen eine der schwächsten des Abends. Er schlägt vor, die Badges auf WordPress.org-Profilen in Zukunft etwas auszubauen und interaktiver zu machen.

Andere Open-Source-Projekte sind da schon deutlich weiter. Chathie Bosco merkt auf Twitter gleich noch eine Reihe weiterer Punkte an, die sich die Community mit mehr Ernsthaftigkeit vornehmen müsste.

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Theme-Demos

So lange ich mich zurück erinnern kann, besteht die Vorschau von Themes auf WordPress.org aus einer Reihe von HTML-Elementen und einem Foto von einem, wie Matt es genannt hat, „coolen“ Boot.

Spätestens seit WordPress den Kinderschuhen der reinen Blog-Plattform entwachsen ist, sind diese Demos komplett unzulänglich. Mit 5.6 wurde das nun endlich zum ersten Mal angegangen und zumindest die Standard-Themes haben eine bessere Vorschau verpasst bekommen.

Matt hat gestern angekündigt, dass diese Neuerung, die auf dem Starter-Content basiert, den Themes mitbringen können, bald allen zur Verfügung steht. Fast zeitgleich verkündete Helen Hou-Sandí, die das neue Feature maßgeblich verantwortet an, dass die versprochene Änderung ab sofort verfügbar ist.

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WooCommerce

Dass WooCommerce eine so prominente Rolle in dieser WordPress-Veranstaltung gespielt hat, dürfte für einige gelupfte Augenbrauen gesorgt haben. Immerhin ist Woo ein Teil von Mullenwegs Unternehmen Automattic und hat mit dem Open-Source-Projekt WordPress nicht mehr zu tun als jedes andere Plugin.

Spannend war aber eine Zahl, die eher nebenbei gefallen ist: 20 Milliarden US-Dollar wurden in diesem Jahr in WooCommerce-Shops umgesetzt. Woher diese Zahl kommt ist unklar. Ich würde mein Geld auf Websites mit dem Jetpack-Plugin setzen. Sie macht aber eins klar: WooCommerce war seiner Zeit eine gute Investition für Automattic.

https://twitter.com/jcasabona/status/1339622970122260482

Zukunft

Matts Wunschtraum wäre, bis 2037 so viele Websites wie möglich auf Open-Source-Software laufen zu sehen. Meine persönliche Hoffnung wäre, dass dabei nicht nur WordPress zum Einsatz kommt.

https://twitter.com/jcasabona/status/1339616832517525513

APIs

Auf Programmierschnittstellen angesprochen hat Matt sein großes Interesse an GraphQL ausgedrückt. Grundsätzlich sei der Fortschritt an der API-Front erfreulich. Besonders hilfreich dabei ist die Verwendung der REST-API durch WordPress selbst. Neben Gutenberg setzen auch die offiziellen Apps für Android und iOS auf die Schnittstelle und sorgen so für eine gesunde Nachfrage.

Für mich war hier die Erwähnung möglicher nativer Desktop-Apps besonders spannend.

Modernes Backend-Design?

Eine weitere Frage, die mich nicht überrascht hat, war die nach einem neu gestalteten (und neu strukturierten) WordPress-Backend.

Joen Asmussen, der als Design-Wrangler bei Automattic arbeitet, gab dazu zu bedenken, dass das aktuelle Interface mit wenigen kleinen Änderungen seit einiger Zeit besteht. Und auch wenn es für neue User nicht unbedingt intuitiv begreifbar ist, schlägt er vor, es nur vorsichtig und in kleinen Schritten anzupassen.

Besonders mit einem Blick auf die Auswirkungen, die Änderungen an der Struktur des Backends allein auf das Plugin-Ökosystem hätten, scheint mir das ein guter Ansatz zu sein.

Auch wenn das Projekt im Laufe des Abends nicht erwähnt wurde, möchte ich an dieser Stelle einen Blick auf G2 Components und den zugehörigen Talk von Jon Q empfehlen. Das Design-System soll Gutenberg-Komponenten einfacher verständlich machen und für Core und 3rd-Party Komponenten eine gemeinsame Basis bieten. Wenn es an das Redesign des gesamten Backends geht, dürften sich Spuren von G2 im Interface wiederfinden.

Manöverkritik

Ich bin mir in diesem Jahr nicht sicher, ob ich zur Kernzielgruppe von Matts Vortrag gehört habe. Wenig neue Informationen für die Community, dafür eine überraschend detaillierte Einführung in Gutenberg. Die kurze Demo des Site-Editors war für mich das höchste der Gefühle – neben dem Q&A natürlich.

Schon in den vergangenen Jahren habe ich mich dabei ertappt, wie ich am meisten Gefallen an den Teilen der Veranstaltung gefunden habe, die Matt nicht selbst übernommen, sondern Anderen übergeben hat. Das war, vor allem im Q&A-Teil, auch dieses Mal die große Stärke des Formats, auch wenn ich mir für die nächste Online-Runde grundsätzlich eine etwas höhere Produktionsqualität wünschen würde.

Was vorab aufgezeichnete Fragen angeht, bin ich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite erlaubt dieses Format deutlich mehr Interessierten die Mitarbeit und dürfte, wie Taco Verdonschot anmerkt, zu einigen besser strukturierten Fragen führen.

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Allen Beteuerungen von Josepha zum Trotz, haben die vorab eingereichten Fragen für mich einen gewissen Beigeschmack. Weil sie nicht spontan gestellt werden, geht außerdem ein wenig Dynamik verloren und Matt und Kolleg/innen müssen nicht spontan auf Fragen reagieren.

Einen weiteren wichtigen Kritikpunkt macht Allie Nimmons auf. Sie merkt an, dass diese vorab produzierte Veranstaltung ohne Untertitel auskommen musste. Und während (Live-)Untertitelung für Meetups und kleine WordCamps schnell zu einem preislichen Problem werden kann, würde ich annehmen, dass die Werbeveranstaltung des WordPress-Ökosystems das Budget hierfür doch hätte aufbringen können.

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Abschließend halte ich es mit Allison Tarr, die sich über das Fehlen von Hunden während der Veranstaltung beschwert.

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Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist auf YouTube verfügbar.

22 Kommentare zu “„State of the Word“ – WordPress im Jahr 2020

  1. 👍🏻 Ausgezeichnete Zusammenfassung dieses eher mäßigen Vortrags:
    Wenig Neues, unnötige Werbung für WooCommerce und eine viel zu lange Q&A mit (aus meiner Sicht) wenigen interessanten Fragen und schwachen Antworten. Und keine Hunde.



  2. Mir persönlich ist ein verschobenes volles FSE im Core lieber als der Druck den alle nach 5.0 abbekommen haben. Wie Matt es so schön gesagt hat: Phase 1 und 2 sind die Basis von allem was wir langfristig vorhaben.
    Sprich:
    Hauptsache der Baum wird toll. Lametta dann nächstes Jahr.






  3. Mich stören mehr die weichgespülten Statements vom Teleprompter und dieses „Hello …, you’re bringing up an interesting point, bla bla nix bla.“ in der Q&A. Und Badges als Anerkennung von Leuten, die sich täglich einbringen? Da freu ich mich aber.






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