Egal ob WordPress zum Bloggen, Podcasten, als CMS oder als Backend-System für Apps eingesetzt wird – der Editor ist fast unausweichlich der Teil der Nutzeroberfläche, in dem wir die meiste Zeit verbringen. Grund genug, dem Gutenberg-Projekt, das sich anschickt, dieses Interface neu zu erfinden, einen genaueren Blick zu widmen.

Eine kurze Geschichte des WordPress-Editors

Am Anfang war der Editor. In den frühen Tagen von WordPress, als das System noch gänzlich auf Blogging ausgerichtet war, kam der Editor ohne viele Extras aus. Text, der in das Editor-Feld eingegeben wurde, fand seine Entsprechung als ausgegebener Inhalt im Frontend, dem öffentlichen Teil der Seite.

Mit der Zeit kamen weitere Funktionen hinzu. Shortcodes erlauben als Platzhalter den einfachen Einsatz komplexerer Code-Schnipsel oder vorgefertigter Inhalte. oEmbeds ermöglichen das Einbetten von Inhalten fremder Plattformen wie Twitter, Youtube oder anderer WordPress-Blogs. Außerhalb des Editors besteht das Konzept der Widgets, die als Inhalts-Module zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit Inhalten des Editors haben, aber über eine zwei vollkommen losgelöste Oberflächen bearbeitet werden können.

Jedes dieser Konzepte für sich genommen ist relativ einfach zu erfassen und eingefleischten WordPress-Usern längst in Fleisch und Blut übergegangen. Wir müssen uns aber vor Augen führen, dass im Laufe der Zeit immer weitere Layer der Komplexität hinzukamen, die das einfache Konzept des großen Textfeldes, in das die Inhalte geschrieben werden, deutlich verkompliziert.

Und als wäre das nicht verwirrend genug, haben in den letzten Jahren unzählige Pagebuilder die Bühne betreten. Jeder davon bringt nicht nur unzählige eigene Interface-Elemente mit, sondern versucht auch, dem WordPress-Editor vollkommen neue Inhalts-Konzepte überzustülpen oder ihn einfach direkt komplett zu ersetzen.

In diese Welt wurde nun ein neues Projekt geboren, dessen Anspruch schon im Namen mitschwingt. Ähnlich wie sein berühmter Namensvetter soll der Gutenberg-Editor das Veröffentlichen mit WordPress auf die nächste Ebene heben.

Einfach wie Bauklötze?

Im Kern lässt sich das Prinzip des Gutenberg-Editors auf eines reduzieren: Inhaltsblöcke. In der Denkweise des neuen Editors ist so gut wie alles, das wir klassisch in Beiträgen erwarten würden, ein Block.

Angefangen bei Überschriften, Bildern, Text-Absätzen über Zitate, Youtube-Videos bis hin zu Code-Schnipseln. Jedes dieser Elemente ist mit einem eigenen Interface ausgestattet, das Benutzerinnen und Benutzern genau die Oberfläche bereitstellt, die der Kontext des aktuellen Blocks benötigt. Einmal angelegte Blöcke lassen sich einfach umsortieren.

Erste Schritte

Im Frühjahr 2017 waren Prototypen eines möglichen Gutenberg-Interfaces online zu sehen. Zum WordCamp Europe 2017 in Paris im Juni wurden dann die erste Vorabversion des Editors als Plugin vorgestellt.
Das Test-Plugin ermöglicht allen Interessierten schon heute einen Einblick in den jeweils aktuellen Stand der Entwicklung und verändert sich von Update zu Update teilweise deutlich, während das Gutenberg-Team verschiedene Lösungen für Oberfläche und zugrundeliegende Technik ausprobiert und aus den gemachten Fehlern und dem Feedback der Community hoffentlich lernt.

Nächste Schritte und Möglichkeiten für die Zukunft

Bis zur geplanten Integration des neuen Editors in WordPress 5.0 werden noch einige Monate ins Land gehen. Für aktuell noch ungelöste Probleme müssen Lösungen gefunden werden und die allgemeine Zuverlässigkeit des Editors sollte wieder das Niveau erreichen, auf dem sich die bisherige Lösung bewegt.

Mittlerweile gibt es außerdem erste Beispiele, anhand derer Entwicklerinnen und Entwickler eigene Blöcke definieren und die Funktionalität des Editors damit in einem Maß erweitern können, das bislang mit WordPress-Bordmitteln nicht möglich war.

Über die weiteren Entwicklungen werden wir hier auf KrautPress in den kommenden Wochen und Monaten genauer berichten. Wir wollen uns dabei detaillierter auf einzelne Aspekte konzentrieren, konkrete technische Umsetzungen vorstellen und uns dem einen oder anderen Kritikpunkt widmen, der in der Diskussion um die Weiterentwicklung des Projekt wichtige Impulse setzt.

Wie sind eure ersten Eindrücke des neuen Editors, welche neuen Features sind für euch besonders interessant, welche besonders abschreckend?

8 Kommentare zu “Der WordPress-Editor der Zukunft – Gutenberg

  1. An sich gefällt mir sowohl die grundlegende Idee, als auch der aktuelle Stand von Gutenberg recht gut. Was mir absolut nicht gefällt, ist die Tatsache, dass das Projekt/Plugin (immer noch!) als Ersatz für den Editor gehandelt wird. Das ist es faktisch nicht, da es die gesamte Administrationsseite ersetzt.

    Abschreckend finde ich auch das derart hohe Entwicklungstempo. Es ist super, wenn ein großes Team mit Tatendrang bei der Sache ist. Aber man sollte auch mal durchschnaufen, Zeit zum Testen einräumen, auf Feedback reagieren, sich mit den ganzen Leuten, die an ähnlichen Funktionlitäten gearbeitet haben, austauschen, … Allein schon, dass seit Monaten ein vermeintliches Ziel, WordPress 5.0, feststeht, macht nur unnötig Druck. Wobei ich, wie viele andere, stark hoffe, dass diese Entscheidung noch einmal überdacht und wahlweise revidiert oder aber angepasst wird, oder dass auf WordPress 4.9 zunächst einmal 4.10 – 4.n folgen, bevor dann tatsächlich Gutenberg mit WordPress 5.0 veröffentlicht wird.

    Auch wird Gutenberg für viele viele bestehende WordPress-Websites, auch im Enterprise-Sektor, niemals in Frage kommen. Ganz einfach, weil die ganzen tollen Neuerungen für die entsprechenden Kunden keinen Mehrwert bringen, oder dieser derart gering ist, dass eine Neuimplementierung von wasweißichwievielen Plugins nicht gerechtfertigt weden kann…

    Für neue Projekte sicher eine Bereicherung, keine Frage.

    • Ich persönlich hoffe ja nach wie vor auf eine Welt, in der der Gutenberg-Editor als weitere Option neben dem Visuellen- und dem Text-Modus hinzukommt, aber nach dem aktuellen Stand scheint das mehr ein Wunschtraum zu sein, als ein realistisches Szenario.

  2. Ich halte Gutenberg für einen grandiosen Fehltritt.
    Für sich eine tolle Idee. Aber wie alle Page-Builder-Systeme nur als *Option*.
    Die Idee damit den Editor komplett zu ersetzen halte ich für falsch.
    Im Prinzip haben wir dann ein Jimdo nachgebaut. Mit all seinen Vor- und Nachteilen. Vorteil: Mehr Möglichkeiten selbst Inhalte zu layouten.
    Nachteil: Mehr Möglichkeiten das Design zu zerstören.
    Apropos: Schaut man sich des Design an, so erkennt man schnell die Oberfläche von Calypso/WordPress.com wieder und genau daher weht meines Erachtens der Wind. Denn sieht man das Konzept Gutenberg als WordPress.com-Feature, dann passt alles zusammen. Die Zielgruppe, das Design, … – und so ergeben die Rückfragen auch Sinn: Welches „Problem“ wird hier eigentlich gelöst? Was ist der „Scope“ des Projekts? Was passiert mit Metaboxen? Custom Post Types? Custom Fields? Alles Dinge, um die sich niemand bei WordPress.com scheren muss.
    Gutenberg wird kommen. Dem BDFL sei Dank. Daher hilft alles Lamentieren sowieso nichts. Javascript lernen und schnell anpassen ist hier die Devise …

    • Um auch diejenigen abzuholen, die keine eingefleischten Opensource-Nerds sind: BDFL = Benevolent Dictator for Life

      Mehr Möglichkeiten selbst Inhalte zu layouten.
      Nachteil: Mehr Möglichkeiten das Design zu zerstören.

      Diese Sorge hatte ich auch, aber nachdem Sören mir auf dem WordCamp Köln ein paar aktuelle Stände des Editors gezeigt hat, bin ich recht angetan von den Möglichkeiten, die ich als Theme-Entwickler haben werde könnte, um die Möglichkeiten des Users, Dinge zu zerstören, zumindest einzuschränken. Der Scope des Ganzen ist mir auch noch nicht ganz klar, aber wir haben ja die nächsten Monate Zeit, uns über alles zu Gutenberg ausreichend zu informieren 🙂

  3. „Gutenberg kommt bald“ klingt ein bischen wie eine Einladung zur Flughafeneröffung.

    Ich habs mir angeschaut, als wir für 2 größere WordPress-Aktivitäten, in die ich als aus der Konzern-IT kommender alter Mann unverschuldet hineingeraten bin, die Resourcen-Planung für das nächste Jahr gemacht haben.

    Einmal eine Intranet-Microsite-Platform für ein Unternehmen > 30.000 Mitarbeiter, zum anderen wurden für einen Agenturverbund > 40 in die Jahre gekommene Websites für Kleinunternehmer, Ärzte, Vereine, Künstler usw. auf einen modernen Stand gebracht.

    Ergebnis: In beiden Fällen wurde beschlossen, Gutenberg nach Livegang für 1 Jahr komplett zu deaktivieren und dann neu zu bewerten. Einfach um die Stabilität der Sites zu gewährleisten.

    Nur eine Begründung als Beispiel: Das API ermöglicht es Plugins, Metaboxen als inkompatibel zu markieren, woraufhin der alte Editor aktiviert wird. Lustiges Szenario: Wir bauen viele tolle Inhalte mit Gutenberg auf, finden dieses tolle Plugin, aktivieren es – und schwupp ist Gutenberg weg. Kannst du keinem Anwender erklären. (Seriöser formuliert: Es gibt keine brauchbare Migrations- und Kompatibiltätsstrategie)

    Allgemein: Ich fand es als WordPress-Einsteiger sehr erstaunlich, dass es keine eingebauten Werkzeuge für die Verwaltung strukturierter Daten oder für die Erstellung komplexere Layouts gab; auch wenn Plugins wie Advanced Custom Fields oder (jetzt ganz stark sein) neue Pagebuilder in sich gute Werkzeuge sind, die man mit ein bischen Codierung auch ganz gut zusammenkleben kann, mangelt es an Einheitlichkeit und Konsistenz in der Bedienung.

    Wenn dieses Problem angegangen wird: schön. Über das „Wie“ gäbs viel zu sagen. Und wenn ich Theme-/Plugin-/Pagebuilder-Entwickler wäre, kämen mir viele Ideen.

    Da ich das aber nicht bin, schalte ich jetzt das ICE-WLAN ab, lese bis zur Endstation ein gutes Buch und lasse Gutenberg Gutenberg sein.

  4. Ich finde den Schritt super. Für unsere Projekte bauen wir so etwas schon immer händisch. Es ist super, dass es dafür bald einen Standard gibt.
    Gerade Menschen ohne IT-Background können sich so inhaltlich ausleben, ohne Gefahr zu laufen das Layout zu beschädigen. (Zumindest nicht so einfach)

    Grüße Patrick

  5. Ich bin extrem gespannt über die Möglichkeiten, eigene individuelle Blocks zu erstellen. Aktuell mache ich das über Shortcodes, was jedoch für Kunden ziemlich unübersichtlich ist.
    Allerdings fände ich auch die Option, wie beispielsweise bei Elementor, zwischen dem normalen Editor und der Blockvariante zu switchen wichtig. Denn bei klassischen Blogbeiträgen fände ich es unpraktisch jede Zwischenüberschrift in einen Block setzen zumüssen.

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